Dr. Martin Mettin
Für den Schriftsteller Thomas Bernhard ist das Gehör das philosophischste aller Sinnesorgane. Trotzdem ist die Geschichte der Philosophie vor allem eine Geschichte des denkenden Sehens. Der Philosoph Ulrich Sonnemann nannte das „Okulartyrannis“, wogegen er die Potentiale einer sensiblen Hellhörigkeit zu rehabilitieren versuchte.
Ausgehend von Sonnemanns Überlegungen spürt der Vortrag der Untergrundgeschichte einer verdrängten Philosophie des Hörens nach. Was bedeutet es für das Denken, die Welt durch die Ohren und nicht wie gewohnt primär durch die Augen wahrzunehmen? Welchen philosophischen Gehalt haben Hörerfahrungen, alltägliche genauso wie musikalische? Im Zusammenspiel von Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie und Psychoanalyse geht der
Vortrag diesen Fragen nach.
[About] Martin Mettin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ausbildungsinstitut für Humanistische Lebenskunde in Berlin und arbeitet zu einer materialistischen Philosophie der Sinnlichkeit. 2020 veröffentlichte er das Buch „Kritische Theorie des Hörens.
Untersuchungen zur Philosophie Ulrich Sonnemanns“ (Metzler Verlag), das er im Vortrag vorstellen wird. 2019 erschien im Neofelis Verlag seine Studie „Echo im Sprachwald. Figuren dialektischen Hörens bei Walter Benjamin“.